„filth“ in der Gitarre&Bass
Gitarre und Bass Ausgabe 10/07, Seite 272
Wie schön, wenn man als Magazin-Macher auch einmal direkt erfährt, dass man einen positiven Einfluss auf die Leserschaft ausübt. Sonst schreibt man oft in ein Vakuum hinein und läuft Gefahr, den Blick für´s Wesentliche zu verlieren. Nicht so bei G&B, was Philipp Maike aus Krefeld eindrucksvoll beweist. Denn die Lektüre aus den Workshops von Helmut Grahl, in dem der Umbau einer Western- zu einer Resonator-Gitarre demonstriert worden war, hat Philipp inspiriert, sich selbst einmal am Gitarrenbau zu versuchen – mit einem erstaunlichen Ergebnis: Filth!
Auslöser neben diesem oben genannten Artikel war ein entspannender Spaziergang durch das örtliche Kaufhaus, bei dem Philipp neben Töpfen und Pfannen einen Fettspritzschutz aus Blech hängen sah. Von dem Gedanken „Mensch, bau das Teil doch einmal in eine Klampfe ein und schau, was passiert!“ bis hin zur Investition von 10 Euro war es kein weiter Weg, denn optisch machte das Ding ja einen recht interessanten Eindruck; über die Stabilität braucht man sowieso nicht reden! Einziges Manko war die recht erhebliche Größe des Pfannenfett-Spritzschutzes von 30cm Durchmesse – das passte nicht so einfach auf eine hundsgewöhnliche Gitarre. Also hat Philipp das Pferd andersherum aufgezäumt und einfach eine neue Gitarre rund um den Spritzschutz aufgebaut. Bei Bassline, dem Krefelder Bass-Hersteller, hatte er zwar schon einige Erfahrungen im Schleifen von Solidbody-Instrumenten sammeln können, aber Akustikgitarren waren Neuland für ihn. Frisch ging´s ans Experimentieren, denn der Anspruch war von Anfang an nicht sehr hoch geschraubt, sodass denn auch Pappel-Sperrholz aus der Restretruhe und leichtes Sperrholz aus dem Modellflugzeugbau als Basismaterial für die Pseudo-Resonator-Gitarre reichen mussten. Zargen biegen wie die Profis – das war eh nicht drin. Mit Limitierungen umzugehen, schult den Geist und mündet oft in Neuem – so auch hier, denn die Form von Philipps Gitarre ist tatsächlich sehr individuell geraten: „Sportlicher als herkömmliche Akustikgitarren“, umschreibt Philipp das Design passend. Und dass die Gitarre groß werden würde, war von Anfang an klar, was dem Erbauer aber auch in den Kram passte, denn „kleine Gitarren sind ja auch was für Weicheier“. Um dem Tenor noch einen draufzusetzen musste eine Bariton-Mensur her. Philipp weiter: „Ich legte mich böse grinsend auf eine Mensur von 760 mm und eine Stimmung von Drop G (!!!) fest … muaaahahahah! 18 Bünde mussten reichen, mehr Platz hatte ich nicht, weil ich die massive Halsauflage zu kurz gemacht habe. Egal – warum auch auf einer Bariton hohe Töne spielen?“
Die Farbe sollte vor allem „anders“ sein, na klar! „Na gut – wird wohl die böseste und dreckigste aller Akustik-Klampfen werden, also: Machste mal eine schöne Fireburst-Lackierung! Gasbrenner und Heissluftfön her und das Ganze lecker warm gemacht. Dann noch ´ne Schicht Ruß von einer Kerze drüber und zum Schluss feinster Klarlack“, beschreibt Philipp seinen innovativen Lackiervorgang. Jetzt sah die Baritongitarre so aus, wie sie hoffentlich später auch klingen sollte …
Und die Spritzschutz-Bariton sollte laut klingen! Philipp kramte ein bisschen in der Pickup-Kiste von Bassline und fand dort einen alten Lipstick. Rein damit! Und dann noch einen Piezo-Pickup in die Bridge gesetzt, sodass über PA und verzerrten Amp gleichzeitig gezockt werden kann. Zwei Klinkenbuchsen mit je einem Lautstärke-Regler davor eingebaut und fertig!
Den unverstärkten Sound beschreibt Philipp als leise und etwas plärrig – kein Wunder, bei der trashigen und laienhaften Verarbeitung und dem runden Stück festem Blech. Aber vor den „Soundholes“ sei der Sound schon extrem basslastig und mache auch richtig Spaß, wenn man ihn direkt da mit einem Mikro abnähme. Normal Gitarre spielen könne man natürlich nicht mehr so wirklich – bei den Halsmaßen und der Dicke der Bass-Saiten – yo, die unteren drei, das sind Bass-Strings! Aber wenn man das Lipstick-Signal angecruncht stereo fahren und dabei mit einem Endlos-Delay und Looper verbinden würde, und dazu noch den Piezo-Clean-Sound über die PA schickt, würde schon ein außergewöhnlicher Sound entstehen, meint der Künstler. [Dagegen ist kaum was einzuwenden, meint d. Red.] Und der Vogel würde abgeschossen, so Philipp weiter wenn man zum Geigenbogen greifen und Akkorde in den Raum stellen würde – das funktioniere nämlich äußerst gut. Auf jeden Fall weit besser, als Philipp zu Beginn des Mal-eben-ne-Fettspritzschutz-Gitarre-Bauens gedacht hatte.
Letzte Frage an den frisch geduschten Erbauer: „Und warum heißt die Gitarre nun Filth – also Dreck, Schmutz?“ Philipp: „Ganz einfach: Sie ist die optisch und klanglich fieseste und bösartigste Akustik-Klampfe, die je das Licht der Welt erblickt hat. Und: sie ist dem Phil seine.“ Der Rheinländer und das ti-äitsch …
Text: Heinz Rebellius